Tims Geschichte

Mein älterer Bruder Tim wird für immer die Person sein, der ich am nächsten war. Ich habe uns immer als Zwillinge empfunden, die 21 Monate auseinander geboren waren. Als dieser Zwillingsbruder und mein bester Freund diese Welt verließ, war klar, dass mein kleiner Kosmos nie wieder so sein würde, wie er einmal war.

Als Tim zwei Jahre alt war, raubte ein Ertrinkungsunfall ihn von seinen körperlichen und stimmlichen Fähigkeiten. Sein Geist, hingegen, blieb genauso brillant, sein Lachen genauso verschmitzt, und sein Humor genauso sarkastisch wie zuvor.

Trotz des Unfalls veränderten sich die Rollen des großen Bruders und der kleinen Schwester nie. Jedoch könnte man sagen, dass sie doch etwas unkonventionell wurden. Wir betrachteten uns immer noch als Gleichgestellte, obwohl ich als seine Stimme handelte. Ich sah ihn sogar als den Stärkeren von uns beiden, weil seine Liebe und Gutmütigkeit niemals nachließ, trotz seiner körperlichen Einschränkungen.

Tim blieb immer weise und verständnisvoll, egal in welcher Situation. Mitanzusehen, wie Tim manchmal behandelt wurde, als ob sein Rollstuhl auch bedeutete, dass sein Geist eingeschränkt war, hat mich wirklich genervt und belastet. Ich habe mich geschämt, dass Tim mit solchen Menschen überhaupt Kontakt haben musste. Die Haltungen der Menschen, jedoch, veränderten sich schnell sobald ihnen mit Geduld und Verständnis gezeigt wurde, wie einfach es war sich in Tims Gegenwart zu verhalten. Tims selbst konnte es ihnen zwar zeigen, aber er konnte es ihnen nicht sagen. Und das fehlte Tim. In solchen Momenten bewies Tim immer wieder, wie groß sein Geist wirklich war, denn obwohl ihm eine Stimme fehlte bewahrte er die Geduld und Beherrschung—sogar wenn andere ihm gegenüber weniger gnädig waren.

Es gab zwischen uns beiden keine Kommunikationshindernisse, jedoch belastete Tim die Tatsache, dass er mit anderen Menschen nicht befreit sprechen konnte. Diejenigen, die sich die Zeit nahmen um ihn zu verstehen fühlten sich schnell mit Tim verbunden, aber ihm fehlte seine eigene Stimme.

Während der letzten Jahre seines Lebens wollte Tim endgültig das Stigma „geistige Behinderung“ aus seiner Akte streichen. Ich dachte er müsste sich fühlen wie eine Laborratte, während er sich wochenlangen Untersuchungen stellte um endlich klarzustellen, dass er mental mindestens genauso fit war wie Sie und ich.

„Der Lehrer geht erst, wenn die Schüler bereit sind“—daran möchten wir, Tims Freunde, glauben. Als er uns verließ, hat er uns mit der Verantwortung zurückgelassen sein Vermächtnis zu erhalten. Timmys Vermächtnis kann nicht nur aufgeschrieben, es muss gelebt werden. Wir wollen das tun.